In der gesundheitswissenschaftlichen Diskussion ist heute Konsens, dass gesundheitliche Ungleichheit in enger Verbindung mit Armut und sozialer Ungleichheit steht (vgl. u.a. Geene/Gold, 2009, Mielck, 2005). Auch gilt als wissenschaftlich bestätigt, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen sozialer Benachteiligung und Delinquenz gibt. Eine Studie von Mielck (2003, S. 12) führte zu dem Ergebnis, dass insbesondere Personen mit niedrigem Einkommen, geringem beruflichem Status und niedriger Schulbildung – u.a. auch Strafgefangene – häufig von sozialer Benachteiligung betroffen sind. Dollinger und Schmidt machen deutlich, dass „Menschen mit Benachteiligungen durch Kriminalisierung dauerhaft auf vergleichsweise statusarme und prekäre Optionen der Lebensführung“ (Dollinger/Schmidt-Semisch, 2009, S. 131) verwiesen werden. Inhaftierung reduziert nachhaltig z. B. Optionen stabiler familiärer Beziehungen und dauerhafter, gut bezahlter Beschäftigung. Eine Inhaftierung verringert die soziale Sicherheit (Prekariat) und erhöht das Risiko einer erneuten Inhaftierung.
Über die gesundheitliche Situation junger Inhaftierter sowohl im offenen als auch im geschlossenen Jugendvollzug gibt es keine Berichterstattung und auch nur wenige Forschungsarbeiten. Als noch relativ umfangreich und fundiert ist hier die Studie „Entwicklungsfolgen der Jugendstrafe“ von Daniela Hosser (2004) zu nennen, die sich unter anderem mit der psychischen Gesundheit von jungen Inhaftierten beschäftigt. Demnach lässt sich feststellen, dass insbesondere im Strafvollzug die Insassen aufgrund der vorangegangenen Verhandlung, des Schuldspruchs und der Inhaftierung unter großem psychischem Druck stehen (Hosser, 2004). Krankmachende Haftbedingungen wie z. B. Überbelegung, Bewegungsmangel, Reizarmut und Passivität/Lethargie können sich gleichfalls ungünstig auf die psychische Gesundheit der Inhaftierten auswirken. Ebenso können sich die vorherrschenden physischen Bedingungen wie die Zellengröße, Bausubstanz, Licht, Farben, Ventilation, sanitäre Anlagen und die Innenausstattung positiv oder auch negativ auf die Gesundheit auswirken und psychische Erkrankungen wie etwa Depressionen und Ängste auslösen (Keppler/Stöver, 2009). Darüber hinaus finden sich in Haftanstalten 25-mal höhere Infektionsraten von HIV und 40-mal höhere von Hepatitis C im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Etwa 30 bis 50 Prozent der Häftlinge gelten als drogenerfahren oder drogenabhängig, 50 bis 70 Prozent leiden unter psychischen Störungen (Siebert, 2005; in Siebert/Hartmann, 2007).
Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) saßen am 31. März 2011 insgesamt 71.200 Gefangene in deutschen Justizvollzugsanstalten ein, davon 4.506 weibliche Gefangene. In Niedersachsen sind es 5.731 Gefangene, davon 314 weibliche. Niedersachsen liegt mit 76 Gefangenen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner unter dem Bundesdurchschnitt von 88 (Statistisches Bundesamt, 2011).
Seit vielen Jahren ist die sozial- und freizeitpädagogische Unterstützung und Betreuung sozial benachteiligter Jugendlicher im offenen Jugendvollzug Göttingen ein Arbeitsschwerpunkt der Jugendhilfe Göttingen e.V. Diese ist ein eingetragener, freier und anerkannter Träger der Jugendsozialarbeit. Ziel des Vereins ist seit 1986 die Förderung sozialpädagogischer Arbeit mit Jugendlichen. Durch den Aufbau vielfältiger Kontakte und die Zusammenarbeit mit externen Einrichtungen und Trägern von Jugendhilfearbeit wird den jungen Inhaftierten die Eingliederung in die Gesellschaft erleichtert.
Das Projekt SPRINT wird in der Jugendanstalt Hameln, Abteilung Offener Vollzug Göttingen, umgesetzt. Dies ist eine offene Einrichtung des Landes Niedersachsen für jugendliche und heranwachsende Männer, die erstmals eine Jugendstrafe verbüßen und für den offenen Vollzug geeignet sind. Die zu verbüßende Haftstrafe darf die Dauer von 3,5 Jahren nicht überschreiten. Die mittlere Verweildauer in der Haftanstalt beträgt 11 Monate. Insgesamt stehen 125 Haftplätze zur Verfügung, hinzu kommen 20 Plätze im Jugendarrest.
Im deutschen Strafvollzugsgesetz besteht für die Gefangenen immer noch das traditionelle Konzept der Gesundheitsfürsorge, das heißt, der Staat übernimmt für die Zeit der Inhaftierung die Verantwortung für die Gesundheit der Gefangenen. Die Haftanstalt ist demnach in der Fürsorgepflicht für die Gefangenen und muss medizinisch notwendige Maßnahmen anordnen und durchführen. Hosser weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass psychische und soziale Risiken, die im Strafvollzug auftreten und den Gesundheitszustand beeinflussen, durch die kurative Gesundheitsfürsorge und die Präventionsangebote (z. B. Anti-Gewalttrainings, Drogenprävention) nur zum Teil aufgegriffen werden (Hosser, 2004).
Im Gegensatz dazu soll die Gesundheitsförderung in Justizvollzugsanstalten einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit leisten. Die Stärkung vorhandener Ressourcen und Fähigkeiten versetzt die Inhaftierten in die Lage, Einfluss auf ihre Gesundheit, etwa durch die Kontrolle von Drogen- und Alkoholkonsum, zu nehmen. Gesundheitsförderung im Jugendstrafvollzug bezieht sich im Allgemeinen auf ein breit gefächertes Sportangebot, wobei die klassischen Ball- und Mannschaftssportarten den größten Raum einnehmen (Walkenhorst, 2000). Sozialtherapeutische Angebote umfassen kreative Aktivitäten wie beispielsweise Basteln, Handwerk oder individuelle Beratung bei Suchtproblematik, Anti-Aggressionstrainings und soziale Trainingskurse. Darüber hinaus gibt es Ansätze zur Bewegungsförderung über die Haftzeit hinaus, z.B. das Projekt „Anstoß für ein neues Leben“ der Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) (www.sepp-herberger.de/main.php?id=514).
Die Gesundheitsförderung für alle im Gefängnis lebenden und arbeitenden Menschen, auch „Healthy Prisons“ genannt, steht noch am Anfang ihrer Entwicklung (Keppler/Stöver 2009).