Die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit einem problematischen oder bereits gestörten Essverhalten hat in den letzten Jahren zugenommen und steigt weiter. Dies wird durch die aktuellen Ergebnisse des bundesweiten Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KIGGS) eindrucksvoll belegt. Die KIGGS-Studie zeigt darüber hinaus, dass das Ernährungswissen übergewichtiger Kinder mangelhaft ist. Neben dem zunehmenden Problem der sich häufig im Jugendalter manifestierenden Essstörungen in Form von Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, Binge eating und latenter Esssucht steht auch die steigende Zahl der bereits im Grundschulalter adipösen Kinder immer mehr im Blickpunkt. In Schleswig-Holstein gelten derzeit 10% der Jungen und 11% der Mädchen zum Zeitpunkt der Einschulung als übergewichtig, 4,5% der einzuschulenden Jungen und 4,2 % der Mädchen sind bereits adipös (Ministerium für Soziales, Gesundheit, 2004). Übergewicht birgt Gesundheitsrisiken, die nicht nur für die Kinder und deren Familien eine enorme Belastung darstellen, sondern auch hohe Behandlungskosten und damit eine zunehmende Belastung der Volkswirtschaft mit sich bringen. Da der Anteil übergewichtiger Kinder in Familien mit niedrigem sozioökonischem Status deutlich höher liegt als in Familien mit einem hohen Bildungsniveau, bietet neben dem Setting Kindertageseinrichtung das Setting Grundschule ideale Voraussetzungen für eine frühe Ansprache besonders auch der problematischen Zielgruppen.
Das Projekt „Lebenslust - Leibeslust“ wurde von der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung S-H und einer freiberuflichen Oecotrophologin entwickelt und wird seit 2003 mit großem Erfolg in 24 Kindertageseinrichtungen und auch aufgrund der konkreten Nachfrage in sechs Mutter-Kind-Kureinrichtungen durchgeführt. Es wird als ein Leitprojekt im Rahmen der Kampagne des schleswig-holsteinischen Sozialministeriums „Optikids – kinderleicht“ aktuell in sieben Kitas in der sozial eher schwachen Modellregion Neumünster angeboten und zusätzlich evaluiert. Bisher wurden 1787 Kindergarten-Kinder sowie 207 pädagogische und hauswirtschaftliche Mitarbeiterinnen erreicht. Nach einer Anschubfinanzierung durch verschiedene Krankenkassen (Barmer, TK, IKK, Dräger & Hanse, TK, Landwirtschaftliche KK, GEK) wird die Durchführung des Programmes inzwischen insbesondere durch die Techniker Krankenkasse finanziert. 2007 wurde das Programm auf den Schulbereich zugeschnitten und wird zunächst in fünf Grundschulen und einer Gesamtschule erprobt.
Mit dem Programm werden alle Kinder erreicht, unabhängig von ihrem individuellen Sozial- und Gewichtsstatus. Zielsetzung des Projektes ist es, durch entsprechende Beratung und Fortbildung der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, zu denen auch die Eltern gehören, die Kinder in ihrem Essverhalten soweit zu unterstützen, dass keine Essverhaltensstörungen entstehen und eine Verschiebung des Gewichtes der Kinder in einen problematischen BodyMassIndex-Bereich (oberhalb der 90er Perzentile) verhindert wird. Neben dem primärpräventiven Ansatz hat das Projekt zugleich auch eine Frühwarn-Funktion: es werden in ihrem Essverhalten auffällige Kinder, die übergewichtig sind, gezielt wahrgenommen und an entsprechende Therapieangebote verwiesen.
Aktualisierung zum Hintergrund (Stand: 08/2011)
Aktuelle Untersuchungsergebnisse des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes von 2009 zeigen, dass im Rahmen von Einschulungsuntersuchungen in Schleswig-Holstein der Anteil übergewichtiger und adipöser Kinder leicht abnimmt. Es sind Rückgänge um 0,2 bis 0,7% in Bezug auf Adipositas und Übergewicht bei Mädchen und Jungen im Vergleich zum Jahr 2004 zu verzeichnen (Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, 2008/2009).
Auch hinsichtlich der Verbreitung des Projektes haben sich Veränderungen ergeben. Seit 2008 hat sich die Zahl der teilnehmenden KiTas am Projekt „Lebenslust – Leibeslust“ von 24 auf 69 erhöht. Zudem erweiterte sich die Umsetzung auf eine zusätzliche Mutter-Kind-Kureinrichtung. Die Zahl der erreichten Kinder stieg somit von 1.787 auf 6.057 an, sowie die der pädagogischen und hauswirtschaftlichen Mitarbeiterinnen von 207 auf 654. Des Weiteren wird das Projekt zunehmend im Grundschulbereich durchgeführt. Während es in der Erprobungsphase fünf Grundschulen vorbehalten war, wurde das Projekt mittlerweile in 21 Grundschulen umgesetzt.