Neben etablierten Interventionsorten der Gesundheitsförderung, wie z.B. Kita und Schule, wird es zunehmend bedeutsam sein, auch das Wohnumfeld mit seinen Erfahrungsräumen in den Blick zu nehmen. Mit dem Projekt „Kinder gestalten ihren Naschgarten“ konnte dies gelingen. Kindern aus Holzminden im Vorschul- und Grundschulalter werden Naturspielerlebnisse verbunden mit einem natürlichen Obst- und Gemüseanbau zugänglich gemacht. Die wissenschaftliche Begleitung durch die Hochschule Fulda konnte bereits in der Aufbau- und Modellphase des Projektes (2007 – 2009) dies bestätigen. Für Kinder im Vorschulalter konnte gezeigt werden, dass ein Gartenprojekt geeignet ist, um zum körperlich aktiven Spiel im Freien anzuregen. Auch konnte nachgewiesen werden, dass das Interesse an Obst bei den Kindern geweckt wird. Die selbst geernteten Früchte und der selbst gepresste Apfelsaft werden gern verzehrt. Auch Obstsorten, die offensichtlich selten zum Frischverzehr im Supermarkt gekauft werden (z.B. Pflaumen), werden von den Kindern des Naschgartens mit Neugierde aufgenommen. Die wissenschaftliche Begleitung durch die Hochschule Fulda konnte in teilnehmenden Beobachtungen feststellen, dass die Kinder ihre Ideen einbringen konnten und Arbeitsteilungen unter den Kindern ausgehandelt wurden. Als Folgen konnten körperliche Aktivität, gestärktes Selbstbewusstsein, das Entwickeln von Sozialkompetenz und Wohlbefinden beschrieben werden. In Befragungen mit Kindern wurde besonders betont, dass der Naschgarten ein Ort des Wohlfühlens ist. (vgl. Blättner, B. et al. 2010)
Die Etablierung einer wissenschaftlichen Begleitforschung war für die Umsetzung des Projektes „Kinder gestalten ihren Naschgarten“ wesentlich. Sie ist zum einen „Türöffner“ im Sinne der Beantragung von Fördergeldern und zum anderen „Aushängeschild“ für eine positive Wahrnehmung des Projektes in der Öffentlichkeit. Bedeutsam für die Umsetzung eines solchen Projektes ist, dass die Wissenschaft nicht die Praxis vor sich hertreiben darf bzw. es zu Zielkonflikten kommt. Beispielsweise dürfen wissenschaftliche Erkenntnisse einer erfolgreichen Adipositasprävention der Praxis nicht „aufgedrückt“ werden.
Die große Herausforderung in der Aufbauphase des Projektes „Kinder gestalten ihren Naschgarten“ bestand darin, ein Grundstück zu finden und einen finanziellen Rahmen zu legen, womit konkrete Maßnahmen auf dem Gelände umgesetzt werden konnten. Auch musste im Vorfeld sichergestellt werden, Kooperationspartner für die Umsetzung des Projektes einzubinden. Bei einem Projekt im kommunalen Bereich ist es ratsam, verlässliche Partner – insbesondere aus der Kommunalpolitik und Verwaltung – ins Boot zu holen. Für das Projekt „Kinder gestalten ihren Naschgarten“ war es von Vorteil, dass der Projektplan mit der Stadt- bzw. der Kreisverwaltung abgestimmt wurde, um sich Unterstützung und Akzeptanz zu sichern. Damit der Naschgarten auch zukünftig in der Gemeinwesenarbeit bestehen bleibt, gibt es Bemühungen, dass Projekt in eine feste Trägerschaft der Stadt zu überführen.
Für den Aufbau von Kooperationen ist es wichtig, dass insbesondere in der Aufbauphase eines Projektes, viel Zeit und Geduld mitgebracht wird. Das Projekt „Kinder gestalten ihren Naschgarten“ hat die Erfahrungen gemacht, dass der Aufbau von Kooperationen nicht immer einfach war. Während Kitas (z.B. Betriebskita „Symrise“) schnell in die Aktivitäten vor Ort eingebunden werden konnten, gelang dies bei den Schulen nicht oder nur bedingt. Gründe hierfür waren:
- Strukturelle und räumliche Einbindung der Schule,
- Arbeitsbelastung der Lehrerinnen und Lehrer und
- Schuleigene Projektaktivitäten.
Um Zugang zu den Schulen, aber auch Kitas und anderen Einrichtungen (z.B. Jugendzentrum) zu bekommen, war es hilfreich, eine Informationsveranstaltung zum Projekt „Kinder gestalten ihren Naschgarten“ durchzuführen. Erste Schritte einer erfolgreichen Beteiligung von Schulen konnte im Verlaufe des Projektes durch Umsetzung von themenfokussierten Projekttagen realisiert werden.
Zentral für die Projektarbeit ist, dass das Thema „Adipositas“ nicht in den Vordergrund gestellt und die Zielgruppe nicht problematisiert wird. Auch sind Leistungsdruck, Vorgaben und Verbote im Sinne einer „Zeigefinger-Pädagogik“ im Naschgarten nicht zu finden.
Über das ganze Jahr finden im Naschgarten spannende Angebote für die Kinder statt, die den Aspekt der Ernährung und Bewegung aufgreifen. Die bisherige Resonanz war sehr positiv: Kinder haben sich im Naschgarten aktiv beteiligt und ihre Kenntnisse zu Obst- und Gemüsesorten sowie zur saisonalen Ernte erweitert.
Bei der Einbindung der Grundschulkinder in die Aktivitäten des Naschgartens müssen einfache Zugangsmöglichkeiten geschaffen und vor allem ihre zeitlichen Ressourcen berücksichtigt werden. Beispielsweise nimmt die Zeit für Hausaufgaben viel Zeit in Anspruch, wo dann noch wenig Zeit besteht, um in den Naschgarten zu kommen. Auch sollten alle Kinder an den Erfahrungsräumen teilhaben können, d.h. auch Kinder aus sozial benachteiligten Familien. In diesem Zusammenhang ist die räumliche Anbindung (Entfernung zwischen Wohnung und öffentlichen Naturspielraum) zu beachten. Der finanzielle oder organisatorische Aufwand (Stichwort Teilnahmegebühren und Elterntaxi) ist daher so gering wie möglich zu halten.
Die Beteiligung der Kinder im Naschgarten und von Multiplikatoren, die die Kinder ansprechen, ist ein Grundprinzip des Projektes. Es hat sich gezeigt, dass je frühzeitiger die Kinder in die Planung von Maßnahmen einbezogen werden, desto passgenauer können dann auch Angebote zugeschnitten werden. Und vor allem: Umso besser werden die Angebote akzeptiert und angenommen. Doch in der Realität ist diese Entscheidungsfreiheit für die Zielgruppe nicht einfach umzusetzen. Die Beteiligung von Kindern ist zeitaufwendig und abhängig von der Haltung und der Bereitschaft der Erwachsenen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die Eltern einzubinden. Dies gelang insbesondere durch Auftaktfeste (Familienfeste) für Kinder und weniger durch Elternabende.
Auch der Pflegeaufwand für z.B. Spielgeräte, befestigte Wege und Beetanlagen muss berücksichtigt werden. Hier muss auch mit Rückschlägen – bspw. in Folge von Vandalismus – oder wetterbedingten Verzögerungen von Baumaßnahmen gerechnet werden. Sichtkontrollen, Reparatur- und Wartungsarbeiten sowie Bewässerung und Aufräumarbeiten sind Routinetätigkeiten, die einkalkuliert werden müssen. Hier ist es wichtig, entsprechende Kooperationspartnerschaften für die Geländepflege aufzubauen und zu pflegen. Nach Möglichkeit sollten an der Geländepflege Kinder und ihre Familien beteiligt werden. Die Identifikation mit dem Gelände wird erhöht und ein Gefühl für den Pflegeaufwand vermittelt. Die Vergabe von Beet- oder Baum-Patenschaften ist eine sinnvolle Form der Beteiligung und schafft außerdem Entlastung bei der Flächenbewirtschaftung.
Um auf Aktivitäten im Rahmen der Projektarbeit (z.B. Spendenlauf, Familiengottesdienst) aufmerksam zu machen, ist eine gute Öffentlichkeitsarbeit von großer Bedeutung. Die Pflege zur örtlichen Presse ist hierbei wesentlich, um die Akzeptanz des Projektes in der breiten Öffentlichkeit zu stärken und die Motivation für alle Beteiligten zu steigern. Eine gute Öffentlichkeitsarbeit eines Projektes, das eine regionale Reichweite hat, hilft auch, sich für potentielle Geldgeber attraktiv zu machen.