Das Angebot „Familienlotsen“ richtet sich an sozial benachteiligte Familien, allein erziehende Mütter mit ihren Kindern bis sechs Jahren, Schwangere sowie Teenagermütter oder Mütter mit psychischen Problemen. Dabei bietet das Angebot Unterstützungsleistungen bei familiären Beziehungsproblemen und Problemen im Umgang mit Institutionen wie Schulen, Kitas, Krankenhäusern und Behörden an. Es handelt sich um einen aufsuchenden Arbeitsansatz: Die Arbeit findet gezielt in den Wohnungen der Familien statt und wird ergänzt durch Begleitung zu Behörden und anderen Institutionen. Im Rahmen dieses Projektes wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter anderem auf die Methode der „ressourcenorientierten Netzwerkaktivierung“ zurückgegriffen. Dieser Ansatz verfolgt das Ziel, die informellen und privaten Netzwerke und Netzwerkstrukturen von sozial benachteiligten Personen unter anderem mit Hilfe von Netzwerkkarten, Familienkonferenzen oder Krisenplanungen zu stärken. Diese helfen den Betroffenen, private Netzwerke zu verfestigen sowie Kompetenzen und Ressourcen innerhalb der Familien zu entdecken und zu nutzen. Da der größte Teil der circa 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen ressourcenorientierten Techniken geschult ist, können alle Personen erreicht werden, die die Alida Schmidt-Stiftung unter anderem mit Mutter-und-Kind-Angeboten, ambulanter Betreuung und den Familienlotsen im Rahmen des „familienNetzwerks Hamm“ betreut.
In den Familien liegen unterschiedliche Belastungen vor – von Alkoholkrankheiten, schweren chronischen Krankheiten, sexuellem Missbrauch, Straffälligkeit bis hin zu Verwahrlosung, Arbeitslosigkeit und Schulden. 29 Prozent der Familien sind sogar von mindestens drei Belastungen, 50 Prozent von vier bis sechs und 21 Prozent von über sieben Belastungen betroffen. Gesundheits- und Sozialprobleme häufen und verstärken sich dabei gegenseitig. Sichtbar wird die überdurchschnittlich hohe Belastung sowohl durch gesundheitliche Probleme wie Substanzabhängigkeit, psychische wie körperliche Erkrankungen und vor allem kindliche Entwicklungsverzögerung als auch durch soziale Probleme wie inner- und außerfamiliäre Straffälligkeit und Armut (Friedrich, 2008). Während des Prozesses die Netzwerkstrukturen auszubauen wird angestrebt, auch den Gesundheitszustand der Zielgruppe zu verbessern. Denn gerade bei sozial benachteiligten und armen Familien existieren häufig keine festen Partner sowie wenige Vertrauenspersonen, sodass diese Menschen größtenteils sozial isoliert leben (Weyers, 2008).
Forschungsergebnisse belegen im Bezug auf die gesundheitliche Situation, dass Menschen, die nur wenige Kontakte pflegen, im Gegensatz zu sozial eingebundenen Personen ein 1,9- bis 3,1-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko haben (Geyer, 2002). Darüber hinaus sind sozial integrierte Frauen und Männer psychisch als auch physisch gesünder, da die soziale Eingebundenheit in Netzwerkstrukturen als „Puffer“ dient. In belastenden Situationen wird somit durch die Unterstützung des Lebenspartners, der Familie und von Freunden beispielsweise gesundheitsschädigender Stress reduziert (House, 1992, Jungbauer-Gans, 2002).
Der Ansatz der „ressourcenorientierten Netzwerkaktivierung“ verfolgt demnach das Ziel, über die Stärkung und Aktivierung persönlicher Netzwerkstrukturen die Gesundheit zu verbessern und zu gesundheitsfördernden Verhaltensweisen anzuleiten. Denn mit dem Ausmaß sozialer Isolation steigt beispielsweise die Wahrscheinlichkeit des Rauchens, der ungesunden Ernährung und der körperlichen Interaktivität (Weyers, 2008). Soziale Beziehungen können – so wie es dieser Ansatz versteht – sinnstiftend sein und die Einzelnen zu einer gesünderen Lebensweise motivieren, da sie Verantwortungsgefühle zum Beispiel gegenüber Familienmitgliedern pflegen (Jungbauer-Gans, 2002). Außer der Möglichkeit, auf informelle Hilfen zurückzugreifen, erfahren die Zielgruppen durch den Aufbau und die Aktivierung der persönlichen Netzwerkstrukturen, dass diese immer auch mit einem gewissen Maß an Gegenseitigkeit, einem Geben und Nehmen verknüpft sind. Die Betroffenen werden zum aktiven „Miteinander“ im alltäglichen und sozialen Leben befähigt.