Ziel der Krankenwohnung ist die Vermeidung oder Verkürzung eines Krankenhausaufenthalts durch Sicherstellen einer medizinischen und pflegerischen Versorgung in häuslicher Umgebung. Zudem werden die Patientinnen und Patienten dazu befähigt, gesundheitsschädigendes Verhalten zu erkennen und zu verändern sowie das medizinische Regelsystem selbstständig nutzen zu können. Im Hinblick auf die nachhaltige Gestaltung ihrer Lebenswelt werden die Bewohnerinnen und Bewohner bei Behördengängen und Wohnungssuche unterstützt.
Die für das Projekt angemietete Wohnung ist ruhig gelegen und speziell für die Bedürfnisse kranker Menschen ausgestattet. Insgesamt können in den Räumlichkeiten sechs Personen untergebracht werden. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind auf zwei Einzelzimmer und zwei Doppelzimmer aufgeteilt. Außerdem können eine voll eingerichtete Wohnküche, ein Aufenthaltsraum mit verschiedenen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, zwei Sanitärräume und ein Behandlungszimmer genutzt werden. Die persönliche Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner ist wochentags bis 14.00 Uhr gewährleistet und wird durch eine Sozialarbeiterin, eine Krankenpflegehelferin und einen Zivildienstleistenden erbracht. Ein kooperierender ambulanter Pflegedienst übernimmt die medizinische Versorgung. Eine über das Angebot der Krankenwohnung hinausgehende Beratung wird durch die Einrichtungen des ambulanten Wohnungslosenhilfesystems der Zentralen Beratungsstelle (ZBS) Hannover übernommen. Hauswirtschaftliche Tätigkeiten wie Einkaufen, Kochen und Putzen müssen die Bewohnerinnen und Bewohner nach Möglichkeit selbst übernehmen.
Die Finanzierung des Projekts „Die KuRVe“ basiert auf einer Entgeltvereinbarung mit der Region Hannover und unterliegt dem Prinzip der Einzelfallabrechnung. Die Abrechnung erfolgt monatlich in Abhängigkeit zur Belegung. Die Region Hannover trägt dabei 80 % der Kosten für Wohnung und Personal, das Diakonische Werk als Träger übernimmt die restlichen 20 %. Die anfallenden Kosten für den ambulanten Pflegedienst werden über eine ärztliche Verordnung zur häuslichen Krankenpflege nach § 37 SBG XI durch die Kranken- bzw. Pflegekasse übernommen.
Im Mittelpunkt des Konzepts der Krankenwohnung steht die ganzheitliche Betrachtung der Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner. Die Betreuung der Patientinnen und Patienten bezieht sich nicht nur auf die Heilung bzw. Linderung der akuten Erkrankung, sondern hat auch psychologische und soziale Komponenten. Im Folgenden werden diese Arbeitsschwerpunkte der „KuRVe“ erläutert.
Aufnahmevoraussetzung für die Krankenwohnung ist eine Verordnung für häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB XI. Diese kann aber nur ausgestellt werden, wenn die betroffenen Personen über eine eigene Häuslichkeit verfügen. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in Krankenhäusern und die Mitarbeitenden anderer sozialer Hilfeeinrichtungen in Hannover kennen dieses Problem obdachloser Menschen und vermitteln betroffene Personen an die Krankenwohnung. Ungefähr die Hälfte der aufgenommenen Wohnungslosen wird durch Straßensozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter auf die Krankenwohnung aufmerksam gemacht. Die andere Hälfte wird durch Krankenhäuser vermittelt. Die Verordnung für häusliche Krankenpflege muss durch einen niedergelassenen Arzt bzw. eine niedergelassene Ärztin ausgestellt werden. Da Wohnungslose aber nur in 10–20% der Fälle über einen Hausarzt bzw. eine Hausärztin verfügen, wird die Verordnung häufig durch eine mit der Krankenwohnung eng zusammenarbeitende allgemeinmedizinische Praxis ausgestellt. Sie erhalten anschließend einen über die Dauer der Verordnung befristeten Mietvertrag. Bisher wurden vorwiegend Männer aufgenommen. Erst im Jahr 2003 bezog erstmals eine Frau die Krankenwohnung. Sie war mit der Aufnahme trotz der männlichen Bewohnerstruktur einverstanden, da sie so rechtzeitig mit den für sie notwendigen Therapien beginnen konnte.
Die Betreuung in medizinischer Hinsicht umfasst das Aufzeigen von Hilfemöglichkeiten, Vermittlung an geeignete Ärztinnen und Ärzte oder einen ambulanten Pflegedienst, das Erklären notwendiger diagnostischer bzw. therapeutischer Verfahren, Unterstützung bei therapeutischen Maßnahmen und das Beschaffen von Arzneimitteln. Medikamentengaben oder Verbandswechsel werden durch den ambulanten Pflegedienst übernommen. Benötigt eine Bewohnerin bzw. ein Bewohner Unterstützung bei den Verrichtungen des täglichen Lebens wie Körperpflege oder Einkaufen, hilft der Zivildienstleistende. Grundsätzlich ist jedoch ein hoher Grad an Selbstständigkeit gewünscht, und zwar sowohl als Perspektive für die Betroffenen als auch im Hinblick auf die personellen Kapazitäten der Krankenwohnung. Um krankmachende Lebensgewohnheiten bewusst zu machen wie auch um Verhaltensänderungen anzustoßen, informieren die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der „KuRVe“ ihre Klientinnen und Klienten über Zusammenhänge von Lebensweisen und Erkrankungen, gesündere Verhaltensmöglichkeiten und weitergehende Hilfeeinrichtungen (z. B. Suchtberatung). Zudem geben sie praktische Anleitung in Bezug auf Haushaltsführung und Speisenzubereitung. Eine gute Wohnatmosphäre und Gespräche mit den Beschäftigten bilden die psychologische Komponente von Gesundheit, die von den Wohnungslosen sehr positiv erlebt wird. Im 14-tägigen Rhythmus kommt außerdem ein Pastor ins Haus und steht für Gespräche und auch für die Seelsorge bei Schwerstkranken zur Verfügung.
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist das Entwickeln neuer Lebensperspektiven gemeinsam mit den Betroffenen. Der Aufenthalt in der Krankenwohnung stellt für Bewohnerinnen und Bewohner eine Chance dar, ihrem Leben eine Wendung zu geben. Oberstes Ziel ist vor allem die Beschaffung von eigenem Wohnraum, was schwierig und vor allem zeitraubend ist. Entsprechend gehört eine bessere Kooperation mit Akteurinnen und Akteuren des freien Wohnungsmarktes seit längerem zu den dringlichsten Wünschen der Beschäftigten in der Krankenwohnung.
Kann eine Patientin bzw. ein Patient der „KuRVe“ nicht mehr allein leben, wird ein Platz in einem Pflegeheim oder eventuell in einem Hospiz gesucht. Im Jahr 2005 wohnten 25 Patientinnen und Patienten in der Krankenwohnung, davon blieben sechs über den Jahreswechsel. Drei Personen gingen zurück auf die Straße, zwölf Patienten bekamen eine Wohnmöglichkeit in einer eigenen Wohnung, einer Übergangswohnung oder in einem Alten-/Pflegeheim, vier wurden stationär in ein Krankenhaus aufgenommen.
Um die Betroffenen bei Wohnungssuche und Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu unterstützen, werden sie über ihre Rechte bezüglich sozialer Hilfen informiert und erhalten nötigenfalls Begleitung bei Behördengängen. Die Arbeit der Krankenwohnung enthält somit gesundheitsfördernde, präventive sowie therapeutische Inhalte und basiert auf dem Gesundheitsverständnis der WHO.