Seit April 2010 wird – im Rahmen der Beschäftigungspakte in den Regionen des Bundesprogramms „Perspektive 50plus“ und speziell in der Region Halle durch den Beschäfti-gungspakt „Jahresringe“ – das Projekt ALPHA 50+ in Kooperation von verschiedenen Institutionen durchgeführt. Die INQUA Arbeitstherapeutische Beschäftigungsgesellschaft gemeinnützige GmbH Halle ist dabei der ausführende Träger, der auch die Räumlichkeiten stellt. Weiterhin sind im Projekt die Euro-Schulen Halle (ESO) und das Kompetenzteam des Jobcenters Halle (Saale) maßgeblich beteiligt.
Die Gesamtkapazität von ALPHA 50+ beträgt 60 Plätze. Das Jobcenter Halle (Saale) wählt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus und informiert sie umfassend über die Bestandteile und Chancen des Projektes. Die Teilnahme ist freiwillig.
Für den Bereich „Gesundheitsförderung“ führt der Gesundheitscoach mit jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer zu Projektbeginn eine gesundheitliche Eingangsdiagnostik durch. Sie umfasst die körperlichen Fähigkeiten und Einschränkungen und auch das Gesundheitsverhalten in Bereichen wie Bewegung und Ernährung. Anschließend durchläuft jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer alle Sport- und Bewegungsangebote und wählt danach mindestens zwei Module aus, die während der gesamten Projektphase regelmäßig zu absolvieren sind. Zu den Sport- und Bewegungsmodulen gehören: Zirkeltraining; Autogenes Training; Progressive Muskelrelaxation; Ausdauer- und Muskelaufbautraining; Sinneswahrnehmung; Bauch, Beine, Po, Beckenboden; Gleichgewichtsschulung zur Sturzprophylaxe; Reaktionsspiele; Gehirnjogging; Kraftkreis; Rückenfit; Bewegungspause; Denk-Sport-Spiel-Parcours sowie Mitarbeiter-Sport und Sport-Events. Die ausschließliche Wahl von Angeboten, die nur Entspannungstechniken zum Inhalt haben, ist dabei jedoch ausdrücklich nicht möglich. Seit September 2014 verfügt AL-PHA 50+ auch über einen Reha-Fitness-Zirkel. An zehn Stationen können die Teilnehmenden hier unter Anleitung des Gesundheitscoaches ein Zirkeltraining absolvieren.
Die Teilnehmenden durchlaufen vier Phasen. Dabei werden sie von verschiedenen Personen betreut, dazu zählen die Projektleitung, Werkstattpädagoginnen und -pädagogen, Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Psychologinnen und Psychologen, Gesundheitscoachs, Bewegungscoachs sowie im Bedarfsfall auch Honorarkräfte. Sie nehmen an den verschiedenen sportlichen Events oder Bewegungskursen teil, vermitteln gesundheitsfördernde Aspekte und leben sie aktiv vor. Die Phasen zwei bis vier müssen dabei nicht immer nacheinander ablaufen, sondern können auch ineinander greifen.
1. Phase (Dauer bis zu einem Monat) : In der ersten Woche erfolgt ein Erstgespräch und die Erfassung der beschäftigungsrelevanten Schlüsselqualifikationen, der gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen unter Einsatz psychologischer Testverfahren und eines vom Träger entwickelten lösungsorientierten Gesundheitscoachings. Letzteres geht von einem systemischen und ressourcenorientierten Ansatz nach De Shazer (1989) und Dietmar Friedmann (2004) aus, d. h. es wird nach Stärken, Fähigkeiten und positiven Erfahrungen gesucht, auf denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufbauen können. Die „entdeckten“ Ressourcen und Stärken werden dann bewusst für die Bewältigung aktueller Anforderungen nutzbar gemacht. Die Ergebnisse der Erstgespräche werden in einer Fallbesprechung vom Mitarbeiterteam gemeinsam beraten, unter Berücksichtigung der abgefragten Berufsinteressen wird dann eine Berufseignung formuliert. Gemeinsam mit den Teilnehmenden werden anschließend die nächsten Schritte und Entwicklungsziele vereinbart.
2. Phase (Dauer ca. fünf bis neun Monate) : In der zweiten Phase arbeiten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schwerpunktmäßig in den Praxisbereichen (Holz, Bau & Gartenbau; Hauswirtschaft & Küche; Kreativ & Gestaltung) und nehmen an den gesundheitsfördernden Angeboten teil. Ihre Arbeitsfähigkeit wird nach arbeitstherapeutischen Ansätzen getestet und sie erhalten Kenntnisse zu den verwendeten Materialien, Werkzeugen und Maschinen. Bei der Arbeit in den Werkstätten des Bildungsträgers werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von erfahrenen Werkstattpädagoginnen und -pädagogen angeleitet. Um Wettbewerbsverzerrungen auszuschließen, sind die erzeugten Produkte und Dienstleistungen nicht vorrangig für den Verkauf bestimmt. Die Holzwerkstatt stellt beispielsweise auf Anfrage Schuhregale und Spiele für Kindertagesstätten her. Die Entwicklungsziele sind in einem arbeitstherapeutischen 6-Phasen-Plan beschrieben und beziehen sich auf die Belastung (Arbeitszeit, Komplexität der Aufgaben), das Bewerbungsmanagement, die Stellensuche sowie das Gesundheits- und Bewegungsverhalten.
Im Zentrum der produktionsnahen Tätigkeiten in den Werkstätten stehen vor allem sinnstiftende Produkte und Dienstleistungen, die sowohl dem Eigenverbrauch dienen als auch an soziale Einrichtungen, wie Kindertagesstätten, Schulen oder Vereine, übergeben werden.
Die Bewegungs- und Sportangebote (siehe oben Abschnitt „Vorgehen“) finden zu unter-schiedlichen Tageszeiten statt. Es wurde schnell deutlich, dass Männer eher die Kraft- und Ausdauermodule und Frauen eher die Bewegungs-, Entspannungs- und Straffungsmodule bevorzugen. Im Rahmen des gesunden Frühstücks, das die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Fachbereich Kochen unter Anleitung der Ernährungsberaterin und einer Köchin selbst zubereiten, wird allen zudem eine Ernährungsberatung angeboten.
Das Sozialtraining umfasst Gespräche zur Vertrauensbildung, die Ermittlung der individuellen (und häufig multiplen) Problemlagen und Informationen über Hilfsangebote und den möglichen Hilfeverlauf, entweder in Einzelberatungen oder in Form von Gruppenarbeiten. Dabei werden gemeinsame Leitlinien für die Zusammenarbeit im Projekt zwischen dem INQUA-Team und den Teilnehmenden entwickelt (z. B. zu Arbeits- und Pausenzeiten, zum Umgang miteinander und zum Umgang mit Problemen). Diese organisationsstrukturellen Leitlinien werden von beiden Seiten – dem INQUA-Team und den Teilnehmenden – beachtet und eingehalten. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die einen guten fachlichen und persönlichen Stand erreicht haben, wird im Sinne der realistischen Arbeitserprobung ein Praktikumsplatz im angestrebten Berufsfeld organisiert, um dort in der beruflichen Praxis die eigenen Fähigkeiten anwenden zu können. Eventuelle Defizite und Schwierigkeiten können so im Vorfeld einer endgültigen Arbeitsaufnahme erkannt und gemeinsam im Rahmen des Sozialtrainings bearbeitet werden.
Mindestens einmal pro Woche findet ein professionelles Bewerbungstraining sowie einmal im Monat eine Videoanalyse statt.
3. Phase (Dauer ca. einen Monat) :Die Teilnehmenden absolvieren Praktika in z. T. mehreren Unternehmen, wobei die Dauer in einem Unternehmen nicht länger als einen Monat beträgt. Dabei sollen sie ihre Arbeitsfähigkeit und Sozialkompetenzen erproben. Das Praktikum wird durch die Sozialpädagogin begleitet und gemeinsam ausgewertet. Die Einschätzungen des Betriebes und der Teilnehmenden werden im Anschluss gemeinsam besprochen, um daraus Stärken abzuleiten und eventuelle Defizite gezielt zu bearbeiten.
4. Phase (Dauer individuell) : In einer Fallbesprechung im gesamten Mitarbeiterteam werden die Ergebnisse des individuellen Aktions- und Integrationsplanes ausgewertet, der zu Beginn der Maßnahme erstellt wurde. Der Teilnehmer bzw. die Teilnehmerin verlässt das Projekt dann mit einer Anschlussempfehlung gegenüber der Arbeitsverwaltung und mit der Option einer weiteren Betreuung (bezogen auf Fortbildung, Jobsuche, Vermittlung in ein Ehrenamt usw.).
Die Evaluationsergebnisse zeigen, dass der durchschnittliche Krankenstand von unter 1,5 Prozent sehr niedrig ist. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 lag der durchschnittliche Krankenstand für Versicherte der DAK-Gesundheit bundesweit bei 4,0 Prozent, in Sachsen-Anhalt bei 4,9 Prozent (vgl. DAK-Gesundheit 2014: 125).
Im Jahr 2012 konnten von 60 Teilnehmer/-innen 14 in den Arbeitsmarkt vermittelt werden, die Vermittlungsquote liegt also bei 23 Prozent. Von diesen Vermittlungen waren elf vom Integrationstyp I (Arbeitsvertrag wurde für länger als sechs Monate bzw. unbefristet abgeschlossen) und drei Personen vom Integrationstyp II (Arbeitsvertrag bis zu maximal sechs Monaten). Sechs Personen wurden zusätzlich in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse vermittelt (dies betrifft vor allem die Personen, die zu Hause weitere Betreuungs- und Pflegeaufgaben wahrnehmen müssen oder die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr vollzeitig arbeiten können). Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchen auch nach Ende ihrer Projektzeit die Einrichtung und das Projekt ALPHA 50+, dort nehmen sie dann auch vereinzelt an weiteren Maßnahmen und an der Nachbetreuung teil.
Die einzelnen Phasen erlauben flexible Lösungen, um der Individualität jeder Teilnehmerin und jedes Teilnehmers sowie deren persönlicher Entwicklung zu entsprechen. Insbe-sondere die Aufrechterhaltung der Motivation, auch in schwierigen Zeiten weiter am Projekt teilzunehmen, Konflikte auszuhalten und zu lösen, sind wichtige Bestandteile des Projektes. Unterbrechungen aus gesundheitlichen Gründen führen nicht automatisch zum Projektabbruch. Im Gegenteil ist der Umgang mit Problemen und unvorhergesehenen Entwicklungen notwendige Voraussetzung für die berufliche Integration und wird über die sozialpädagogische Betreuung und psychologische Unterstützung zusätzlich abgesichert.